Marszeitkinder

Wydawnictwo Wriart,
Ilustracje i oprac. graficzne Joanna Hrk,
Redakcja i korekta Ewa Żak,
Przekład na język niemiecki Wolfgang Jöhling 
Warszawa 2015

Wybrane wiersze

An die Muse

Verleih mir die Flügelfeder 
aus der Picasso-Taube… 
Verleihe sie mir, 
damit ich niederzuschreiben vermag nur den einzigen Satz: 

NIE WIEDER! 

Verdunkelt der Himmel doch schon wieder sich. 
Mars lässt es Kugeln hageln. 
Aus Blut und aus Tränen ist Niederschlag 
und nirgends in Sicht ein Regenbogen. 



Friedenstaube

Die Friedenstaube 
von Picassos Hand. 

Mit Bleistift, fast flüchtig, 
doch kraftvoll aufs weiße Papier gebannt. 

Mag gleich sie die Flügel 
zum Flug in endlose Weiten 
nicht ausgespannt haben, 

so hat sie dennoch den Erdball umkreist, 
den Himmel durchstreift 
mit des Künstlers Botschaft im Schnabel. 
Meine Muse aus dem Splittergraben

Ihr Antlitz glich dem eines sowjetischen Aufklärers… 

Nach dem Luftangriff kroch der aus dem Graben 
und warf sich in die rauchenden Trümmer, 
aus denen ein Kinderärmchen sich reckt, 
nur vom Ast einer Linde am Haus leicht verdeckt. 

WANJA hieß der Soldat. 
Mehr weiß ich von ihm nicht. 

Unsere Hände umschlangen sich. 
Unlöslich. 
Aufstandsklässler`44

Vor der roten Backsteinmauer – 
das Denkmal des Schulkinds im Warschauer Aufstand. 

Rein zufällig ist dorthin ein Vergissmeinnicht geraten. 

In Bronze hat es der Künstler gegossen, 
um den Nachgeborenen zu zeigen, 
welch KINDER die MÜTTER von damals gebaren. 

Welch Geist die Zeit ihnen eingehaucht, 
ihn nicht mal vertrieb all der Qualm und der Rauch. 

Zwar sahen sie klein und zerbrechlich aus, 
so schützten wie Rippen sie POLENS Herz –                                                         WARSCHAU. 
Zu groß nur die Helme 
wie alles andre am Leib. 
Zu schwer – das Gewehr. 
Bild im Familiengedächtnis

In sibirischen Schneewehen – ein Bündel, 
schwarze Windel – auf Gedeih und Verderb. 
Ein Schneehase schnuppert daran. 

Ganz in der Nähe, vor Viehwagen gespannt, die Lokomotive, 
die Schnauze voran, schnauft, 
als wolle mit ihrem Atem 
das Bündel sie wärmen. 

Ringsum – unzählige Spuren. 

So auch zwei Linien, tief bis hinab auf den Boden 
gegraben von Tränen der Mutter, 
die nicht mehr zu stillen vermochte 
und im Fläschchen - gefrorenes Wasser mit winzigem Teerest. 

Sie zogen sich bis in die Unendlichkeit 
wie Schlittenspuren. 
Geflügelte Niobe

Kommt ein Vöglein geflogen, 
hat den Jungen Futter gebracht, 
flattert zum Nestchen, 
wo grad noch der Fuchs 
sich hatte zu schaffen gemacht. 

Versteinert starrt es das leere Nest an, 
vom Schmerz schlicht übermannt. 
All seine aufgestauten Tränen in Sekundenschnelle 

verwandeln sich in Sand.  
Die Soldaten von General Anders

Alle Wege führen nach ROM. 

Sie rückten vor, 
das Granatfeuer nicht schreckend, 
um für die Alliierten die Gustav-Linie zu durchbrechen. 

Von Rom führen die Wege weiter nach POLEN. 

Sie glaubten 
den Alliierten. 
Ohne zu ahnen, dass die Polen längst verraten hatten. 
Ihr Weg führte ins Nirgendwohin. 

Sie hat es in alle Winde verschlagen 
wie Vögel, denen kein Nest je mehr Obdach bot. 
Erblüht waren sie in Italien 

als ein Meer aus wogendem rotem Mohn. 
Schlachtfeld

Auf dem Schlachtfeld, welch Hohn, 
zwei Frauengestalten in Weiß, verfeindet, 
wenngleich niemand ihr Freund oder Feind ist, 
sie einzig nach Menschenblut lechzen. 

Die Eine trägt ihre Hand im Verband. 
Die Andere kreist mit der Sense. 

Von einem Jahrhundert zum nächsten. 
Der letzte Schritt des Mars

Die ROTE LINIE, 
die nicht überschritten werden darf; 
dahinter liegt nur noch die Hölle. 

Und dennoch… 

Die Hexenkessel zerborsten mit einem 
die Augen versengenden Blitz und ein 
Rauchpilz stieg auf über den japanischen Städten 
                           HIROSHIMA und NAGASAKI. 

Bewohnte Gebiete schmolzen zu Teer, 
wurden zu Asche und 
radioaktiver Staub deckte sie zu. 

Nur die eisernen Vögel des Kriegsgotts, 
die all das den Menschen angetan, flogen 
ohne die Eier rechtzeitig fort 

über den STILLEN OZEAN. 
Siegesgöttin Nike

Kopflos und armlos - so steht sie im Louvre. 
Worin liegt der Grund für die Tragik des Schönen? 

Umschlungen hast du den Epheben, 
den längst schon hatte der Tod im Visier. 
Und jener hieb ab dir den Kopf und die Arme, als er auf der Knabenwange 
entdeckte den Kuss von dir. 

Nur so ließ dein eigenes IDEAL sich verstümmeln. 

Denn dein SIEG heißt ja nachwachsende Flügel, 
die dich erheben über eigenes Scheitern. 
Ich weine nicht mehr

Ich weine nicht mehr um dich, Vater. 
Ich weine nicht mehr, 
wenn ich den letzten Feldpostbrief von dir 
aus dem Schubfach krame. 

Ich weine nicht mehr… 

Weil ich weiß, du selbst hättest nicht miterleben wollen 
das eigne Versagen, 

die Zeiten der Schande, die Zeit des Verrats. 
Sowjetisches Ehrenmal

„Runter mit dem da vom Sockel,“ schrien sie. 
„Der hat sich hier so prächtig eingenistet, 
als wär er hier daheim.“ 

„Zuerst aber müssen wir dem das Kind abnehmen. 
Solche Schutzengel sind bei uns überhaupt nicht gern gesehen.“ 

Sie legten die Lunte in eine Sockelritze. 

Er flog in die Luft mitsamt jenem Kinde. 
Diesmal konnte er`s nicht mehr beschützen. 
Medaillen

Oben in Omas Haus auf dem Boden 
stieß ich auf eine Blechdose, 
versteckt hinter Spinnweben. 

Darin die Medaillen vom Onkel – 
für Monte Cassino, Tobruk, Palästina - an ihn vergeben. 

Blätter aus Nikes Lorbeerkranz. 

Ein halbes Jahrhundert hatten sie dort 
hinterm Dachbodenbalken vergessen gelegen. 

Als ich sie rausnahm mit staunenden Blicken, 
der Staub aufstob von ihren Bändern, 
hörte ich hinter dem Rücken Soldatenschritte 

und das Gekicher der blinden Geschichte.  
Testament des Kriegsveteranen

„Wenn ich abtrete zur ewigen Wache, 
vergrabt meine Medaille im Garten. 
Wer schert sich denn heut noch darum?“ 

Ist grad mal ein schmückendes Blechstück 
auf der Veteranenbrust zum x-ten JAHRESTAG… 

Dass diese Brust direkt am Tod vorbeigeschrammt ist, 
längst interessiert das keinen mehr. 

„Wenn ich abtrete zur ewigen Wache, 
vergrabt meine Medaille im Garten.“ 

Vielleicht legt sie ein Archäologe ja frei nach Jahren 
und ruft begeistert: „Vom Dinosaurier ein Goldzahn! 
Flurbereinigung

Wenn die Zeitzeugen abtreten 
zur ewigen Ruhe, lichten sich die Archive, 
wird keiner mehr lange dort suchen. 

Wird ausgemistet, so nennt man das: Säubern. 

Schleichen doch Hyänen 
Auf finsteren Friedhöfen rum. 

Spur vom Vergissmeinnicht – von Brennnesseln überwuchert.  
Schüsse

Ich wollte einen Threnos schreiben. 
Ihn wie ein Vergissmeinnicht niederlegen, 
an der Urne der durchschossenen Schädel. 

Als ich das GROSSE LEXIKON POLENS, 
Verlag der Wissenschaft, Warschau 1974, 
öffnete, um nachzuschauen, 
ob die Historiker das Tintenfass entkorkt, 

blendete ein WEISSER FLECK meinen Blick. 

Zum zweiten Mal erschossen waren da die polnischen Offiziere. 

WER HATTE DIESMAL DIE DRECKSARBEIT BESORGT? 
Wahrheit der Generation

In Generationsschüben gehen die Menschen, 
nehmen die WARHEIT über die eigene ZEIT mit ins Grab. 

Jene, die selbst sie gesprochen, gesehen, gehört, 
jene, die prägten ihr Antlitz mit 
der ganz eigenen Faltentektur. 

Wenn sie verschwinden, 
bleibt nur eine Kopie dieser Wahrheit, 
Verzerrtes lässt sich auf ihren Totenmasken noch finden 

oder - die WAHRHEIT verkommt zur KARIKATUR. 
Nachkriegsgeschichte

Der akademische Geschichtswissenschaftler, 
der heute beschwichtigt, 
der Zensor hätt` ihm die Hände gebunden und 
auf jedes Wort durch die Lupe geschaut hat, 

schrieb, was er eben geschrieben. 

Daher gleicht unsere Nachkriegsgeschichte 
dem RÖNTGENBILD, 
das ein Skelett nur zeigt. 

Ohne Schädel mit Kopfschusslöchern. 
Mit verbogenem Rückgrat. 
Schiff der Zeit

Unter welcher Flagge kreuzt das Schiff der Zeit? 
Welch Kapitän steht dort an seinem Steuer? 
Wer wirft das Netz in wilde Wellen, 
wo Tränenperlen und Blutkorallen 
                                  aneinander zerschellen? 

Das will ich wissen. Es schweigen die Bäuche und Rücken 
Am sandigen Strand. 

Die Sonnenbrille nehme ich ab 
und dafür das Fernglas zur Hand. 
Feldstecherblick

So funktioniert die Maschinerie des Kriegsgotts… 

Ihn zu vermenschlichen, 
hat die Zeit ihn zum Bartträger gemacht. 

Sein Hirn und seine Antriebskraft – 
globales Kapital, 
die Rüstungsindustrie. 

Seine Schultern – die Politiker. 

Sein Sprachrohr – die Medien. 

Seine Hände – die Armee. 

Sein durchschossenes HERZ – die Völker, die alles verbindet. 
                          Wir – wir MARSZEITKINDER. 
Die Kinder neuer Kriege

Es gibt keine KINDER von FEINDEN, 
nur KINDER von VÄTERN und 
MÜTTERN, solchen wie wir. 

Sind ihre Herzen denn anders als unsre? 
Lieben sie weniger zärtlich als wir? 
Ist der Verlust ihres Kindes weniger schmerzvoll als hier? 

Das Wort FEIND ist allerorts medienpräsent. 
Das Wort FREUND kaum einer mehr nennt. 
Marszeitkinder

KINDER… 
MARSZEITKINDER. 
TAUBENKÜKEN. 

Es mangelt an Windeln für die, die geboren werden. 
Es mangelt an Leichentuch für die, die da sterben. 
Nur Plastiktüten sind reichlich vorhanden. 
Und reichen noch lange. 

Bis zu dem Zeitpunkt, 
da kein Nest mehr ist in ihrer Welt, 
kein Stern mehr strahlt am Himmelszelt, 

sie Grabesstille nur umhüllt.  


(c)2021, Wszelkie Prawa Zastrzeżone

Na stronie wykorzystano ilustracje Joanny Hrk z tomów wierszy 
Karoliny Kusek pt.: "Objęłam spojrzeniem świat dziecka" i "Dzieci Marsa"